12./13.06.15: Schneewittchen gesucht...
...und s/Selbst gefunden
Nicht nur Schülerinnen und Schülern wird es manchmal in der Schule einfach echt langweilig. Auch junge Märchenfiguren wollen mal was Anderes sehen, aus dem Trott ihres tagtäglichen Märchens ausbrechen. So ist auch Schneewittchen genervt vom ewigen Spielen mit den Zwergen, die stets fröhlich um sie herum wuseln und zum Ballspiel als Zeitvertreib auffordern.
Als dann eines Tages ein Werbeschreiben für einen Selbstfindungskurs zur erfolgreichen Flucht aus dem ewig gleichen Alltag eintrifft, zögert Schneewittchen nicht lange und meldet sich an. Bis zu ihrer Rückkehr soll die Goldmarie sie vertreten. Doch leider erreicht der Brief nicht die Gold-, sondern die Pechmarie, die mit ihren Stiefschwestern gerade mal wieder was Böses ausheckt. Sie beschließt, unter Zuhilfenahme einer Perücke und viel Schminke, die Stelle als Schneewittchen anzutreten. Doch der Prinz lässt sich nicht so leicht täuschen und schickt sie wieder weg. Nun nimmt das Unheil seinen Lauf, denn die Präsidentin des Märchenlands, Frau Holle, muss eingreifen und für Ordnung sorgen. Ein neues Schneewittchen muss her.
Und wie findet man im Jahre 2015 ein neues Schneewittchen? Richtig: In einer Castingshow.
Zehntausende junge Bewohnerinnen des Märchenlandes bewerben sich, dochnur 4 schaffen es ins Finale, wo sie von einer Jury aus der ewig schönen, sich permanent kämmenden Rapunzel, ihrem PR-Berater, dem Frosch, und einem machohaften Schönling namens „der Wolf" begutachtet werden.
Es treten an: Jorinde, Dornröschen, Goldmarie und Schneewittchen.
Schneewittchen? -- Ja. Der Selbstfindungskurs bei Frau Sterntaler hat sich dann doch als Hausarbeitslehrgang herausgestellt, in dem das richtige Bügeln von Taschentüchern und Oberhemden gelernt werden sollte. Das ist noch langweiliger als mit den Zwergen Ball zu spielen.
Goldmarie?, war die nicht eigentlich sowieso als Stellvertreterin vorgesehen? -- Genau, doch hatte sie dieselbe Idee wie Schneewittchen gehabt, und die beiden haben sich beim Bügeln am gleichen Brett getroffen.
Nun winkt die Castingshow „Das Märchenland sucht Schneewittchen" als willkommener Ausweg aus dem Bügelkurs und als Möglichkeit, das angerichtete Unheil wieder zu richten.
Doch bevor die Jury ihre Wertung verkünden kann, erscheint der Prinz und stellt dem versammelten Volk des Märchenlandes sein neues Schneewittchen vor: Frau Sterntaler hat ihr Weiterbildungsinstitut verkauft und sich direkt an den Prinzen herangemacht, so ganz ohne die Hilfe der Medien. Bevor aber alle Märchen umgeschrieben werden müssen, erscheint zwar nicht der Reitende Bote des Königs, dafür haben aber die stets unterschätzten Zwerge eine Lösung parat, und so kann im Schlusslied das Märchenland wieder glücklich „sein" Schneewittchen zu Hause begrüßen. Und wenn sie nicht gestorben sind...
Zwei große, sehr große Themen des Schultheaters hat Beate Vehling in ihrem neuen Musical zu einer hinreißend turbulenten Show verwoben: die individuelle Frage eines jeden (v.a.) heranwachsenden Menschen „Wer bin ich, und will ich sein, wer ich bin?", und die soziale Frage nach der Verantwortung des Einzelnen für das Große Ganze.
Schneewittchen darf erkennen, dass ihr Leben mit den Zwergen eben nicht langweilig und ihrer nicht würdig ist, sondern, dass sie dort, und mit ihrem Prinzen, eben glücklich -- weil sie selbst -- ist. Auch die Pechmarie ist beim Aushecken ihrer Boshaftigkeiten und beim Kochen von Zaubertränken glücklich, während sie in der vorgetäuschten Rolle als Schneewittchen kläglich vor sich und dem Prinzen scheitert. Auf sozialer Ebene scheitern die Figuren, die die etablierte Schicht (im Schulkontext sicherlich „die Erwachsenen") darstellen: die Präsidentin Frau Holle schreckt vor klaren Worten zurück, benutzt typisches Politikergeplänkel, um ein Problem kleinzureden, und flieht dann in die zeitgeistige mediale Lösung der Castingshow, wo die Verantwortung für die Entscheidung pseudodemokratisch an Publikum und sogenannte Experten abgeschoben wird.
Allein die Zwerge (die ballspielenden, fröhlichen Zwerge, die nie allein, sondern stets im Team wirken) können die Lösung herbeiführen.
All dies geschieht in fröhlichem Spiel mit großartigen musikalischen Nummern, die vom Chorgesang bis zum Solovortrag reichen, und sogar auch auf der kleinen Bühne ein großes Ballett zeigen.
Die jungen Schauspielerinnen und Schauspieler (vgl. Programm):
Maximilian Bergweiler führt als Sprecher mit dickem Märchenbuch unterm Arm durch die Verwicklungen der Geschichte. Ariane Shirkahani verursacht als Schneewittchen das Problem und tritt gemeinsam mit Vivien Skorski als Goldmarie ans Bügelbrett und vor die Jury.
Sophia Dörzenbach als Pechmarie und ihre Stiefschwestern Gizem Gezginci und Celine Müller verweisen in ihrer großen Szene beim Zaubertrankkochen würdig und witzig aufs große Welttheater des Barden William Shakespeare, dessen drei Hexen für Macbeth nichts Übleres im Schilde führen könnten, als die drei Schwestern für Schneewittchen.
Zuerst verleitet Laura Küchler als Journalist die Frau Holle von Maike Huber dazu, überhaupt eine Castingshow zu veranstalten, und dann tritt sie als Jorinde gemeinsam mit Marlene Rapps mulitlingualem Dornröschen ebenda auch zum Finale an. In der Jury sitzen Nathalie Ehrensberger (Rapunzel mit langen, goldenen Haaren), der Frosch (Krönchen inclusive!) Pascal Hager und die sonnenbebrillte und lederbejackte Jasmina Podgorski, die den Wolf als Quotenmacho gibt.
Die guten Zwerge treten auf als fröhliches Gespann aus Sophia Dörzenbach, Gizem Gezginci, Nova Haas, Celine Müller, Jasmina Podgorski, Marlene Rapp und Julia-Katharina Sutter.
Haben wir nicht noch jemanden vergessen? Ach ja, der Prinz, der sich fast von Frau Sterntaler um den Finger wickeln ließ. Cornelius Bergweiler und Nova Haas spielen dies bunte Paar mit Verve.
Verantwortlich für diesen kurzweiligen und anregenden Musicalabend zeichnen Beate Vehling, Eva Prickett und Rebecca Buch, die auch gemeinsam die Abendspielleitung übernommen haben.
Geschrieben und komponiert hat das Stück Beate Vehling, der hier ein wunderbarer Mix aus der glitzernden Märchenwelt und dem glamourösen Pop à la ABBA gelungen ist. An beiden Abenden sitzt sie auch selbst am
Flügel. Wir freuen uns jetzt schon auf ihren nächsten Streich...
Am Freitagabend eröffnete die Klasse 5d die Aufführung mit einer peppigen Chorversion des Songs „Fireflies" von Owl City. Sie wurden rockend begleitet von Sophia Kampferseck (Querflöte), Viktoria Ring (Klarinette), Joel Röckel und Johannes Töws (Drums), Leandra Weiß (Klavier), Stella Spies (Bass-Gitarre), sowie Simon Keim und Nick Linker (E-Gitarre).
Impressionen
Fotos: Birgit Oster, Rodalben
Vielen Dank für die Überlassung der Fotos!
Fotos: Herr Mohr