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02.10.24: Ukraine-Helfer berichtet von Hilfskonvoi

Ukraine-Bericht 10/24Bericht: Benedikt Reinhard, Fotos: Johanna Germann, Herr Lutz, Nils Suchetzki

Der schon seit Anfang 2022 andauernde Krieg in der Ukraine ist nach wie vor noch nicht beendet, obwohl er in den Nachrichten oft schon von anderen Ereignissen und Konflikten in der Welt in den Hintergrund gedrängt wird.

Immer noch werden Hilfsmittel benötigt und immer noch gibt es Menschen, die die lange und auch nicht ungefährlich Reise auf sich nehmen, um Hilfsgüter in die Ukraine zu transportieren. Einer dieser Menschen ist auch Nils Suchetzki. Er ist nicht nur SPD-Stadtratsmitglied aus Königswinter, Hilfskonvoi-Begleiter und Referendar an einer Schule, sondern hat sich auch die Zeit genommen, um uns exklusiv von seiner Reise in das Kriegsgebiet zu berichten. So kam es, dass Nils Suchetzki am 02.10.24 den Geschichte- und Sozialkunde-LKs 12 einen Besuch abstattete und sich und seine Reise persönlich vorstellte. Dabei informierte er auch über die Vorgeschichte und Hintergründe des Krieges, den momentanen Frontverlauf und beantwortete all unsere Fragen.

Herr Suchetzki, zehn weitere Helfer und sechs Fahrzeuge, darunter auch ein ausgemustertes Feuerwehrauto, welches in der Ukraine dringend benötigt wurde, machten sich im September auf den Weg Richtung Osten. Für Suchetzki war dies die erste Reise in die Ukraine, aber die Organisation „Meckenheim Hilft" nahm diesen Weg in der Vergangenheit schon öfter auf sich. Er habe vorher lange darüber nachgedacht, ob er den Konvoi begleiten solle, als er gefragt wurde, eines der Fahrzeuge zu fahren. Ihm sei bewusst gewesen, dass die Fahrt bis Kiew zwar weit entfernt von der Front verliefe, aber dass man aufgrund der russischen Luftangriffe keine 100prozentige Sicherheitsgarantie habe. Suchetzki dazu: „Eigentlich bevorzuge ich Situationen mit 100prozentiger Sicherheit." Aber letztlich entschied er sich für die Fahrt, da er es für wichtig hielt, die Lieferung der Hilfsgüter aktiv zu unterstützen und er außerdem diese Gelegenheit nutzen wollte, um sich ein eigenes Bild von der Situation in der Ukraine zu machen.

Suchetzki berichtete uns von dem Überqueren der Grenze von Polen in die Ukraine, was teilweise auch mal einen Tag dauern könne. So gesehen kamen er und sein Team mit einer Wartezeit von drei Stunden also gut durch. Auch an den Militärcheckpoints müsse man etwas Geduld mitbringen, so Nils Suchetzki. Was aber angesichts der Lage absolut verständlich sei.
Angekommen in Boryslaw, einer Stadt im westlichen Teil der Ukraine, welche einwohnermäßig ungefähr mit Pirmasens gleichauf ist, fand das ausgemusterte Feuerwehrauto samt Zubehör dann sein neues Zuhause. Ein Zuhause, wo es sicherlich noch eine große Hilfe sein wird.

Suchetzki und seine Kollegen bekamen die Stadt kurioserweise in einer Art Touristenprogramm vorgestellt. So wurden die deutschen Gäste zum Beispiel darüber informiert, dass Boryslaw eine der größten ölfördernden Stadt im 20.Jahrhundert war. Selbst heutzutage gibt es noch Punkte in der Stadt, wo Öl aus dem Boden sickert. Auch hoch in eine Art Skigebiet fuhr die Gruppe mit einem Sessellift und traf sich dort mit dem Bürgermeister zum Essen. Eine surreale Vorstellung, wenn man bedenkt, dass ein paar hunderte Kilometer entfernt gekämpft wird. Suchetzki verdeutlichte damit, dass die Reise durch die Ukraine für ihn voller Kontraste war, zwischen den Menschen, die um Normalität ringen, der Schönheit von Städten und Landschaft und den Spuren des Krieges und des Kriegsalltags.

Nach dem Stopp und der Übergabe des Feuerwehrautos machte sich die Gruppe dann auf in Richtung Kiew, der Hauptstadt der Ukraine, welche laut Nils Suchetzki eine wunderschöne Stadt sei und man es nach dem Krieg vielleicht mal in Erwägung ziehen sollte, diese zu besichtigen. Auch wenn Suchetzki mit seinen 27 Jahren nicht mehr ganz als Fahranfänger zählt, so sagte er, habe er auf dem Weg Richtung Kiew immer beide Hände am Lenkrad gehabt und war zu 120 Prozent aufmerksam. Denn auch wenn das Gebiet Richtung Kiew gerade nicht umkämpft ist, so sei es doch ein mulmiges Gefühl, da man ab und an am Straßenrand zerstörte Gebäude zu Gesicht bekomme und man auch mehrere Luftalarme erlebt habe. Auch Kiew selbst ist kein umkämpftes Gebiet, jedoch gehören bewaffnete Soldaten auf den Straßen sowie Luftalarm zum Alltag. Doch hätten sich die Menschen dort schon längst an diese Umstände gewöhnt, schilderte Suchetzki. Er berichtete uns von einer Gruppe Schüler etwa in unserem Alter (15-17), welche gerade die Straße entlang liefen, als ein Luftalarm losging. Statt sich in Sicherheit zu bringen, machten diese weiterhin Scherze und liefen weiter, als sei nichts geschehen. Auch Gärtner oder andere Menschen gingen weiterhin ihrer Beschäftigung nach, obwohl ihr Smartphone Alarm schlug.

Apropos Smartphone, tatsächlich ist es so, dass man in der Ukraine über diverse Apps und Webseiten immer live informiert werden kann, wo, wann und um welchen Luftalarm es sich handelt. Für die ukrainische „Air-rapid-App" hat sogar Mark Hamill, Darsteller des Luke Skywalker in „Star Wars", die Gefahrendurchsage gesprochen und warnt so auf Englisch vor Gefahr („Proceed to the nearest shelter...") und gibt auch die Entwarnung, die mit den Worten endet: „May the force be with you".

Wir alle waren uns einig, dass es ein absurder Gedanke ist, dass die Menschen dort ihrem Alltag wie gewohnt nachgehen und die Alarme als Teil ihres Lebens ansehen. Den deutschen Helfern fehlte natürlich diese Gelassenheit, da ihnen dadurch immer wieder vor Augen geführt wurde, dass ihre Fahrt nicht ungefährlich und kein normaler Ausflug war.
Wir hatten während des Vortrags Gelegenheit live Angriffe auf den Osten der Ukraine mit der Website „alerts.in.ua" zu verfolgen. Ein beeindruckender Anblick, wenn sich Regionen auf einer Karte auf einmal rot verfärben, und man weiß, dass dort in diesem Augenblick Luftangriffe erfolgen und Menschen in Gefahr sind.

In Kiew wurden weitere Hilfsgüter übergeben, z.B. Stromgeneratoren, Feuerlöscher, Werkzeug, Erste-Hilfe-Sets, Zentralheizungselemente usw. Dafür schlug ihnen große Dankbarkeit seitens der Ukrainer entgegen.

Bevor es wieder zurück nach Deutschland ging, nutzte Suchetzki die Zeit, um sich mit Bürgern zu unterhalten, sich die Stadt anzuschauen und der Gefallenen zu gedenken, für die es in der Innenstadt Gedenkstätten mit Postern und Bildern gibt. Ein sehr schreckhafter Gedanke, wenn man bedenkt, dass auf den Postern Männer abgebildet sind, welche oft jünger waren als er selbst. Beeindruckend und sehr ungewöhnlich war für ihn auch eine Art „Ausstellung" der eroberten russischen Militärfahrzeuge und Panzer in der Kiewer Innenstadt. Außerdem schilderte er, dass bei aller „Normalität" der Kriegsalltag doch spürbar war durch Sperrstunden, viele Uniformierte auf den Straßen und militärische Abriegelung der Orte, an denen die Lustabwehrsysteme stationiert sind, die Kiew von Luftangriffen durch Drohnen und Raketen schützen. Die Menschen, mit denen Suchetzki auf seiner Reise sprechen konnte, seien ungebrochen optimistisch darüber, dass sie sich erfolgreich gegen den russischen Angriff zur Wehr setzen, und freuten sich darüber, auf deutsche Helfer zu treffen. Für sie sei es wichtig zu spüren, dass die Welt sie immer noch in ihrem Kampf unterstützt.

Eine weitere Fahrt in die Ukraine ist von den Seiten des Hilfsprojekts im Laufe des Novembers geplant, ob Suchetzki sich da erneut dem Konvoi anschließt, ist noch unklar. Allerdings hat er konkrete Pläne, was eine Partnerschaft zwischen Königswinter und der Stadt Boryslaw angeht. Er möchte dieser Stadt helfen, die westlich des eigentlichen Kriegsgebiets liegt und daher weniger internationale Unterstützung erhält, obwohl sie diese auch benötigt. In der Stadt sind Tausende von Binnenflüchtlingen aus der den umkämpften Gebieten im Osten untergebracht, die versorgt werden müssen.

Es war für uns ein sehr interessantes Erlebnis, von jemandem berichtet zu bekommen, welcher selbst live vor Ort gewesen war und alles mit eigenen Augen gesehen hat, da gerade in der heutigen Zeit jegliche auf sozialen Plattformen veröffentliche Information möglicherweise gar nicht der Wahrheit entspricht.
Der Geschichte- und Sozialkunde-LK bedanken sich vielmals bei Nils Suchetzki, dass er ans Leibniz-Gymnasium gekommen ist, um uns von seiner Reise zu berichten und wünschen uns, dass es bald schon nicht mehr vonnöten ist, solche Reisen zu tätigen.

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